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Ein Blick unter die Haube von Battle.net – Wie das Team von Diablo II: Resurrected Sanktuario das Fürchten gelehrt hat

Blizzard Entertainment

Alle zwei Monate unterhalten wir uns mit einem Studio darüber, wie die leidenschaftlichen Menschen hinter unseren Spielen es schaffen, Millionen von Spielern auf Battle.net legendäre Unterhaltung zu bieten.

Über 3.000 Kills, über 200 Stunden und nur drei Bosse zum Farmen. Über 22 Jahre lang sah so die mühselige Routine eines durchschnittlichen Diablo II-Spielers aus, der von Stufe 98 auf Stufe 99 aufsteigen wollte.

Mit Beginn der zweiten Saison im September 2022 hat Diablo II: Resurrected aber eine Verwandlung durchlaufen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gibt es bedeutende neue Spielelemente: Mithilfe von Terrorzonen können Spieler auf abwechslungsreichere Art und Weise leveln und dank Zaubern mit Durchbrechen können Charaktere unabhängig von Klasse oder Build die Immunitäten von Monstern umgehen.

Aber wie kam es dazu? Das Entwicklerteam äußerte den Wunsch, Resurrected zugänglicher, unterhaltsamer und abwechslungsreicher zu machen. Und zwei Mitglieder dieses Teams – Senior Principal Game Designer Robert Gallerani und Software Engineer Michael Clavell – haben dafür gesorgt, dass dieser Wunsch Wahrheit wird.


Die Meister des Remasters

Auf den Regalen hinter Gallerani finden sich unzählige Spielmodule für die unterschiedlichsten Konsolen – seine persönliche Mediathek deckt Generationen von Videospielgeschichte ab. Er dreht sich kurz um, durchstöbert einen Teil seiner Sammlung und zeigt uns ein Exemplar von Tony Hawk’s Pro Skater 2. Die Game Boy Advance-Verpackung ist noch versiegelt.

Dieses Spiel bildet das Fundament von Galleranis und Clavells professionellen Lebensläufen. Das erste Videospiel, das er mit auf den Markt gebracht hat, so Gallerani, war die GBA-Konvertierung von Pro Skater 2. Das erste Videospiel, das Clavell mit auf den Markt gebracht hat, war die Neuauflage des PlayStation-Originals von Pro Skater 2 über 20 Jahre später. Jetzt hilft Gallerani, der vor Jahrzehnten an diesem Spiel mitgewirkt hat, das später ein Remaster bekommen sollte, Blizzard bei einem ähnlichen Projekt.

Vor über 20 Jahren begann der heutige Branchenveteran mit einem Diplom in Computeranimation seine Arbeit als leitender Designer für verschiedene Videospiele bei Vicarious Visions, das heute als Blizzard Albany bekannt ist. Dort stieß schließlich auch Clavell zu ihm.

„Wahrscheinlich war ich gerade mit Lesenlernen beschäftigt, als er schon bei Vicarious Visions Spiele entwickelt hat“, meint der deutlich jüngere Clavell. „Ich habe einen Abschluss in Videospieldesign. Das gab es damals, als er studiert hat, bestimmt noch gar nicht.“

Nachdem er sich dem Team angeschlossen hatte, arbeitete Clavell an Resurrected, das sich gerade in Entwicklung befand – ihm zufolge ein surreales Erlebnis. In seiner Jugend war er mit der Welt der Videospiele sehr vertraut und er kannte Diablo II als altehrwürdigen Vertreter der Actionrollenspiele. „Und plötzlich arbeite ich am Remaster dieses Spiels“, erzählt er. „Aber nicht nur das, ich darf auch neue Features entwickeln und Fehler beheben, die die Spielerschaft seit Jahrzehnten quälen. Das ist unheimlich motivierend.“

Alte Schlaglöcher auf dem Weg zu Stufe 99 stopfen

Die Neuauflage von beliebten Klassikern ist immer eine Gratwanderung, aber wenn das fragliche Spiel über 20 Jahre auf dem Buckel hat, sieht die Sache noch einmal ganz anders aus. „Das hat mir einen Heidenrespekt eingejagt“, erinnert sich Gallerani. „Mit Diablo II verbinden viele Menschen Kindheitserinnerungen. Wenn wir etwas verändern wollen, dürfen wir das nie vergessen. Allerdings sollte man es mit dem Respekt auch nicht übertreiben, sonst klappt die Modernisierung nicht.“

Während der Ideensammlungsphase für mögliche neue Features in Saison 2 analysierte das Team zunächst, wie Spieler das sagenumwobene Rennen auf Stufe 99 angegangen sind. Das Stufenlimit zu erreichen, ist ein prestigeträchtiger Erfolg, den nur ein Bruchteil der Millionen von Spielern von Resurrected jemals für sich verzeichnen kann. In Saison 1 schafften diese Leistung im Softcore-Modus, der den Wiedereinstieg nach dem Tod erlaubt, lediglich 787 Spieler und im Hardcore-Modus, in dem man permanent stirbt und wieder auf Stufe 1 beginnt, nur 136 Spieler. Als Gallerani Streamern zusah, die in Saison 1 möglichst schnell Stufe 99 erreichen wollten, wurden ihm zwei Dinge klar.

Erstens: In Diablo geht es immer um Effizienz und wer zeitraubende Erfolge abschließen will, findet immer die kosteneffizienteste Methode.

Zweitens: Das Potenzial von Sanktuario, der Welt von Resurrected, blieb auf den höchsten Spielstufen größtenteils ungenutzt. 

Um die höchste Stufe zu erreichen, musste man die Bosse Baal, Diablo und Nihlathak bis zum Gehtnichtmehr besiegen, was weder Fantasie erforderte noch besonders viele Freiheiten ließ. Wer es bis Stufe 99 schaffen wollte, musste außerdem eine der wenigen Klassenbuilds spielen, mit denen das effizient möglich war. Dazu zählten der Totenbeschwörer mit dem Zauber Verstärkter Schaden oder der Paladin mit der Aura der Verurteilung.

„Trotz Nostalgiefaktor hatten wir nicht das Gefühl, dass es Spaß macht, sich ganze Nächte um die Ohren zu schlagen, um mit denselben ein oder zwei Monstern Stufe 99 zu erreichen“, sagt Gallerani. „Also stellte sich die Frage: Wie machen wir das Ganze spaßiger für Streamer, unterhaltsamer für Zuschauer und attraktiver für mehr Leute?“

Sobald die Analyse von Saison 1 abgeschlossen war, entwarf das Team Konzepte für Saison 2. Und so entstanden auf dem Amboss des Erfindungsreichtums und in den lodernden Flammen der Brennenden Höllen zwei neue Features.

Höllisch hochgeschraubt

Der Ansatz des Teams von Resurrected für Terrorzonen und Zauber mit Durchbrechen war eigentlich recht simpel. „Wir haben ein großes Spiel“, meint Gallerani. „Können wir es insgesamt so spannend machen wie diese drei Bosse?“

Die Entwickler experimentierten mit verschiedenen Methoden. Sie ließen einige Bosse die Welt durchstreifen und verpassten Spielern zufällige Schwächungseffekte. Letztendlich funktionierte die banalste Idee am besten: Sie verpassten ganzen Zonen eine Ladung Steroide.

Wenn man die Schwierigkeitsstufe eines kompletten Gebiets absurd hochschraubt, klingt das zuerst einmal unkompliziert. Allerdings kam es bei der Umsetzung zu Problemen, erklärt Clavell. „Bei unserem ersten Versuch haben Zonen nicht mit der Spielerstufe skaliert“, erinnert er sich. „Wir hatten das gesamte Gebiet auf Stufe 96 gestellt und während des Spieltests bekamen wir das Feedback: ‚Was, wenn ich erst Stufe 70 bin und immer noch keine Erfahrung kriege?‘“

Diese Frage führte schließlich zur aktuellen Version des Features. Die Monster in den Gebieten skalieren mit der individuellen Stufe der Spieler und mit der gewählten Schwierigkeitsstufe. Sobald das Konzept der Terrorzonen stand, wurde allerdings schnell klar, dass ein bekanntes und bisher ungelöstes Problem von Diablo II durch die Verschärfung von gewissen Gebieten ebenfalls brisanter wurde: Immunitäten.

Das Problem mit Immunitäten

In Diablo II sind manche Monster immun gegen bestimmte Schadensarten, ganz egal, wie mächtig der Spielercharakter auch sein mag. „Spieler konnten zwar die gesamte Welt von Resurrected auf einer sehr hohen Stufe erkunden, allerdings waren sie auch mit dem gesamten Spiel konfrontiert“, erinnert sich Gallerani. „Immunitäten gab es zwar schon immer, aber jetzt mussten Spieler viel öfter mit ihnen fertigwerden.“

Das „Problem mit Immunitäten“, erklärt er weiter, führte letztendlich zur Implementierung von Zaubern mit Durchbrechen als Ergänzung zu Terrorzonen. Das Team von Resurrected hat sich schon früh darüber Gedanken gemacht, wie man am besten mit Immunitäten umgeht und diese Mechanik im Spiel kommuniziert.

„Leider gibt es kein Monster, das dir auf Stufe 1 erklärt, dass es immun ist, und dir zeigt, wie du das umgehst“, meint Gallerani. Das Spiel verrät lange nichts über Immunitäten und in einigen Fällen merkt man erst nach Dutzenden von investierten Spielstunden plötzlich, dass man sich für Fähigkeiten entschieden hat, die gegen bestimmte Gegner völlig nutzlos sind. „Überraschung! Diesen Monstern wirst du nie das Fell über die Ohren ziehen, weil wir das so beschlossen haben.“

Aus diesem Grund entwickelte das Team Gegenstände, mit denen sich die Immunitäten bestimmter Monster durchbrechen lassen. Diese Zauber mit Durchbrechen verbessern zwar Klassenbuilds, aber es gibt auch einen Nachteil – wer die Immunität eines Monsters verringert, reduziert gleichzeitig seine eigene Resistenz gegen das fragliche Element. Und wie man das aus Diablo kennt, gibt es gute Zauber mit Durchbrechen und auch … nicht ganz so gute.

„Man findet nützliche Zauber mit Durchbrechen häufiger als die weniger hilfreichen Varianten“, erklärt Gallerani. „Man darf nicht vergessen, für wen diese Zauber gedacht sind. Die Hardcore-Spieler, die mit den korrekten Runenwörtern Immunitäten aushebeln, brauchen sie ja nicht. Wir möchten stattdessen mehr Spielern unter die Arme greifen und eine größere Auswahl an Builds spielbar machen.“

Entfesselter Terror

Nach unzähligen internen Überarbeitungen wurde es Zeit, die neuen Features im Höllenfeuer des PTR (Public Test Realm, öffentlicher Testrealm) auszuprobieren. Hier konnten Spieler mit den Mechaniken experimentieren, bevor sie im fertigen Spiel landeten.

„Unsere Leute von der Qualitätssicherung sind große Klasse und die meiste Zeit wissen wir tatsächlich auch, was wir tun“, sagt Gallerani. „Aber wenn die Community das erste Mal Hand anlegt, wird es spannend. Bei diesen Dimensionen kann man sich nicht mehr durchmogeln. Wenn du wissen willst, was eine Million Spieler über dein Spiel denkt, musst du sie spielen lassen.“

Sobald der Inhalt zum Testen bereitstand, stürzte die Community sich mit großem Enthusiasmus darauf. Sie experimentierte mit dem PTR des Spiels auf Battle.net und schickte Feedback an das Entwicklerteam. Das Feature ist jetzt schon eine Weile im Spiel und sowohl Gallerani als auch Clavell freuen sich, wenn Spieler an neuen Strategien tüfteln, mit mathematischen Formeln ihre Stufenaufstiege optimieren und mithilfe von Online-Tools den Überblick über die Terrorzonen behalten.

Die Experimente der Community mit den Features von Saison 2 haben allerdings noch weitere Erkenntnisse gebracht: Wenn sich eine Macke der Programmierung zur Unterhaltung ausnutzen lässt, finden Spieler das mit Sicherheit heraus. Einige der innovativsten Abenteurer von Resurrected haben beispielsweise herausgefunden, dass sie normale Monster in eine Terrorzone treiben können. Wenn man dann in die Stadt zurückkehrt, ein bisschen wartet und sich in die Zone zurückteleportiert, sind die Monster terrorisiert.

„Aus Sicht eines Programmierers ist das wirklich ein bisschen komisch und abgefahren. Aber … wie kommt man überhaupt auf so eine Idee?“, fragt Clavell und schmunzelt.
 

Dazu können wir nur sagen: Hauptsache, Leveln macht Spaß.


Wagt euch nach Sanktuario, stellt euch den schrecklichen Armeen der Brennenden Höllen und probiert Terrorzonen und Zauber mit Durchbrechen in Saison 3 von Diablo II: Resurrected aus.