StarCraft II

Evolution abgeschlossen: Klassische Einheiten für StarCraft II neu gestaltet

Blizzard Entertainment

Als ein kleines Team von etwa 20 Entwicklern bei Blizzard damit begann, die Originalversion von StarCraft zu entwickeln, war ihrer Fantasie zwar keine Grenzen gesetzt – ihrem Zeitplan aber schon. Ihr Hauptziel war es eigentlich nur, ein cooles Science-Fiction-Spiel zu machen.

„Bis dahin hatten wir schon zwei Mal High Fantasy gemacht“, erinnert sich Bob Fitch, Lead Engineer des ursprünglichen StarCraft. „Und wir alle liebten Sci-Fi. Wir hatten Starship Troopers, Aliens und Star Trek gesehen. Wir wollten die Erde verlassen und den Weltraum erobern.“

Als das ursprüngliche StarCraft-Team anfing, die drei Spezies im Kern des Spiels zu entwerfen und die Einheiten, die ihre Armeen bevölkern, lag der Fokus darauf, so viele kreative Ideen wie möglich zu sammeln. Danach wollten sie sehen, welche Idee es wert war, sie weiterzuentwickeln. Das Team von StarCraft II sah sich hingegen mit einem gewaltigen Erbe konfrontiert. Es wusste, dass es neue Einheiten und Gebäude erschaffen und neue Ansätze für das Gameplay der einzelnen Spezies einführen musste. Dabei durfte es aber nicht vergessen, was StarCraft eigentlich zu StarCraft gemacht hatte.

Der Schwere Kreuzer zum Beispiel ist in der Originalversion von StarCraft aus einem verständlichen Grund präsent: Die Weltraumoper verlangt nach massiven, schwerfälligen Schlachtschiffen, die dem Umfang ihrer epischen Geschichten entsprechen. Der Schwere Kreuzer war im wettkampfbetonten StarCraft oder Brood War jedoch relativ selten zu sehen. Als dann allerdings Dustin Browder, Game Director für StarCraft II und David Kim, führender Game Designer für den Mehrspielermodus, ernsthaft begannen, an der Fortsetzung zu arbeiten – mit dem ausdrücklichen Fokus auf den intensiven, auf Fähigkeiten basierenden Esports-Bereich – mussten sie sich die Frage stellen, ob oder wie sie ihn ersetzen könnten.

Keine Chance.

„Er ist so ein ikonischer Bestandteil des Universums, dass wir schließlich gesagt haben: ‚Er bleibt‘“, so Browder. Wenn man die Einheit kleiner oder schneller machen würde, würde das völlig deren Identität ändern. Und damit wäre es sinnlos, sie im Spiel zu lassen. „Es ist also unsere Aufgabe, dass sie im Spiel funktioniert.“

Die Entwicklung der Einheiten in StarCraft II ging mit einer Reihe von Verhandlungen wie dieser einher. Es galt herauszufinden, wie viele neue Dinge sie hinzufügen und was sie weglassen konnten, damit die Einheitenanzahl für jede Spezies überschaubar war. Und was sie ändern mussten, damit alles zusammen funktioniert.

Sanitäter und Landefrachter: Die Verschmelzung ist abgeschlossen

Der Sanitäter, eine ikonische terranische Einheit, die in der StarCraft-Erweiterung Brood War eingeführt wurde, hätte ursprünglich Teil der Originalversion des Spiels sein sollen. Laut Bob Fitch war einfach nicht genug Zeit, um sie zu integrieren.

Brood War war in vielerlei Hinsicht eine Art erstes offizielles Update, der erste echte Balancepatch für StarCraft“, erzählt Fitch. Das Team begann mit dem Design und der Entwicklung von Einheiten, die speziell als Zähler dienten oder einfach die Schwäche einer bestimmten Spezies hervorheben sollten. Das Hinzufügen einer Heilungseinheit machte für die Terraner sehr viel Sinn, da diese Spezies eher zu defensiven Spielweisen neigte.

Aber für StarCraft II wollten Browder und Kim mit der Heilungsrolle eine neue Richtung einschlagen.

„Sanitäter waren sehr mächtig, aber es gab für die Einheit nicht viele Kontermöglichkeiten“, erklärt Browder. „Besonders für einige Spieler mit moderatem Können war es sehr schwierig, ins Gefecht zu ziehen und einen einzelnen Sanitäter auszuschalten.“

Im ursprünglichen StarCraft führte die Nützlichkeit des Sanitäters oft dazu, passives Spiel für die Terraner zu fördern. Diese Spezies ist für ihre Fähigkeit bekannt, schnell eine solide Verteidigungslinie um Bunker und Belagerungspanzer aufzubauen.

Es ging auch darum, dafür zu sorgen, dass die Anzahl der Einheiten jeder Spezies in StarCraft II nicht zu groß wurde. Das hätte laut Browder sonst „das Spiel einfach träge gemacht“. Wie hält man die Anzahl der Einheiten in vernünftigen Grenzen, führt eine angemessene Anzahl von komplett neuen Einheiten ein und hält an all den ursprünglichen Figuren fest, die die Spieler kennen und lieben gelernt haben?

„Schließlich haben wir entschieden, dass, wenn wir doch etwas wiederbringen, wir etwas anderes streichen müssen“, erklärt Kim. „Was können wir also streichen?“

Kim erinnert sich, dass ein anderer Entwickler im Raum sagte, dass der Sanitäter doch nichts anderes tut, als Space-Marines zu heilen. Jemand anderes fügte hinzu: „Für Landefrachter gilt dasselbe; sie transportieren auch nur Einheiten.“

In diesem Moment ging Kim ein Licht auf. „Ich dachte mir: Du benutzt immer Landefrachter, um als Terraner einzufallen und zu schikanieren“, so Kim. „Können wir daraus nicht etwas Größeres machen? Und gleichzeitig dachte ich: Wann benutzt du eigentlich nicht auch Sanitäter, wenn du Space-Marines und Landefrachter einsetzt? Können wir die beiden kombinieren?“

Indem sie den terranischen Heiler von einer kleinen Infanterieeinheit in ein mittelgroßes Schiff verwandelten, konnten die Gegner sie besser auf dem Schlachtfeld „lesen“. Das war Browders Hauptanliegen. Kim erklärt, dass es genauso wichtig war, dass die neue Einheit terranischen Spielern einen starken Anreiz gegeben hat, aus ihrer Defensive herauszukommen und aggressiver zu spielen.

„Medivacs sind so ausbalanciert, dass häufige Angriffe vorteilhaft sind. Sie bieten Tempoboosts und Heilung in Kombination mit dem Schaden pro Sekunde des Space-Marines … eine starke Kombination“, so Kim.

Dragoner und Hetzer: Aus den Schatten heraus

In einem Science-Fiction-Epos fällt die Entscheidung für die terranische Einheiten wie Space-Marines und Sanitäter in Energiepanzerung als Fronttruppen für die Menschheit nicht schwer. Aber für die rätselhaften Protoss musste das Team, welches das originale StarCraft entwickelte, einen anderen Weg gehen.

In der Weltraumoper, die das StarCraft-Team entwickelte, repräsentierte die Terraner das Vertraute, während die Zerg die Rolle der Monster übernahmen. „Wir brauchten eine Spezies vom Typ grauer Alien“, erzählte Fitch. Eine Spezies, die von mysteriösen Motiven angetrieben wird und über fortschrittliche Technologie verfügt. „Darum haben wir die Protoss erfunden.“

Die primäre Infanterieeinheit der Fraktion ist der Berserker. Im Wesentlichen ist er ein nicht schwächlicher, grauer Alien, der eine geschmückte Panzerung trägt und im Umgang mit todbringenden Klingen sehr geübt ist. Aber für Einheiten, die sich höher auf dem Technologiebaum befanden, war im Grunde genommen alles möglich.

„Der Dragoner war das Resultat einer Zeichnung, die Sammy eines Tages gemacht hat“, erzählt Fitch und meint damit Samwise Didier, ein Blizzard-Veteran und Art Director von StarCraft. „Er hat dieses coole vierbeinige Panzer-Ding gezeichnet, und ich dachte: Warum lassen wir es nicht mit Energiebällen schießen? Und alle so: Na klar!“

Der Dragoner wurde schließlich das Rückgrat der Armee vieler Protoss-Spieler in der StarCraft-Originalversion. Als es jedoch an der Zeit war, sich für Protoss-Einheiten für StarCraft II zu entscheiden, war Kim der Ansicht, dass der Dragoner zu häufig genutzt werden würde. „Er war in zu vielen Dingen zu gut“, meint er.

Der thematische Geist des Dragoners wurde im Unsterblichen wiedergeboren – einer hoch beanspruchbaren Artillerieeinheit, die sie ursprünglich erfunden hatten, um den Protoss im Kampf gegen die terranischen Belagerungspanzer zu helfen. Allerdings gab es früher im Protoss-Technologiebaum eine freie Stelle für eine Einheit, die dynamischer und weniger teuer als der Unsterbliche war.

„Irgendwann dachten wir: Warum entscheiden wir uns nicht für einen Dunklen Dragoner?“, so Browder. Schließlich gab es bereits „dunkle“ Versionen von anderen Protoss-Einheiten. Also hat Didier ein Konzept präsentiert, wie ein Dunkler Dragoner aussehen könnte.

Browder erinnert sich, dass sie im Laufe der Entwicklung versuchten, mehr Wege zu finden, um das Protoss-Gameplay mit präziser „Mikro“mechanik auszustatten. Kim stellte fest, dass die Dragoner eine Art Allzweck-Bedrohung waren, die einfach loszogen und auf Feinde feuerten. Gleichzeitig nahmen die Protoss die Rolle der aufgeklärten superhightech Aliens-Spezies ein. Es würde am sinnvollsten sein, dass sie Teleportationsfähigkeiten hätten. Auf dieser Idee aufbauend versuchten sie, die Dragoner schneller, kleiner und agiler zu machen und ihnen eine Kurzstrecken-Transitfähigkeit zu geben. So entstanden die Hetzer in StarCraft II.

Dies machte das Gameplay von Protoss nicht nur mikrointensiver und dynamischer, sondern gab der Spezies auch eine höhere Fähigkeitengrenze, was eine Priorität für das Team war.

„Mit Hetzern kannst du wirklich verrückte Sachen anstellen, wenn du gut genug bist“, grinst Browder.

„Wir haben angefangen, einen Unterschied zwischen, sagen wir, einem Protoss-Spieler auf Stufe Bronze und einem auf Diamantstufe zu sehen“, sagt Kim. „Nur basierend darauf, wie gut sie ihre Hetzer manövrieren konnten.“

In den Genen: Verseuchte Terraner erschaffen Berstlinge

Wenn die Protoss die hyperfortschrittlichen Aliens von StarCraft sind und die Terraner die rauen Weltraumcowboys, dann sind die Zerg die grausamen Monster des Universums – die Käfer und Biester, die nur existieren, um zu töten oder ihre Verseuchung zu verbreiten. Der zombieähnliche verseuchte Terraner schien eine naheliegende und großartige Ergänzung für die Zerg-Fantasy zu sein.

Allerdings fand die Einheit in der Originalversion von StarCraft nie einen Platz im Mehrspielermodus der Zerg. Das könnte mit seinem Ursprung zusammenhängen.

„Wir haben den verseuchten Terraner für einen bestimmten Teil der Kampagne entwickelt“, sagt Fitch. „Und wir wollten nichts aus dem Mehrspielermodus weglassen, auch wenn wir es nicht speziell für den Mehrspielermodus konzipiert hatten.“

Wir hatten das Problem, dass es einfach zu schwierig war, die erheblichen Investitionen zu rechtfertigen, die erforderlich waren, um überhaupt mit der Entwicklung zu beginnen.

„Du brauchst eine Königin, du musst genug Energie angespart haben, du musst gegen die Terraner spielen, du musst der gegnerischen Kommandozentrale einen gewissen Schaden zufügen, aber sie nicht zerstören und dann musst du Geld dafür ausgeben, den verseuchten Terraner überhaupt zu bauen“, so Kim. „Und du tust all das, um eine Einheit zu erhalten, die null Schaden verursacht, falls sie explodiert, bevor sie den Feind erreicht. Dann hast du all diese Zeit und Mühe verschwendet.“

Vor diesem Hintergrund gefiel dem Team die Idee einer explosiven Selbstmordeinheit sehr. Aber sie musste mehr Flächenschaden austeilen und in der frühen Spielphase einfacher herzustellen sein. „Wir haben uns schließlich für einen kleinen Käfer entschieden, der explodiert, Schmiere auf jeden in seiner Sprengreichweite verteilt und diese Personen dann auch infiziert“, erklärt Browder. So entstand dann also der Berstling. Laut Browder „mühte sich das Team jahrelang ab“, um diese kleinen rollenden Kugeln der Verdammnis richtig hinzubekommen.

Die Berstlinge wurden entwickelt, um Gegner zu bestrafen, die töricht oder leichtsinnig genug waren, ihre Truppen in großen Clustern zu organisieren. Diese wurden zu Hauptzielen und mussten den meisten Schaden von einem Haufen explodierender Käfer einstecken. Die Entwickler erwarteten, dass die Spieler mit dem gleichmäßigen Verteilen ihrer Einheiten gegen die Berstlinge Probleme haben würden.

Dann betrat der Profi-Spieler MarineKing, bekannt für sein – wie könnte es bei dem Namen anders sein – starkes Mikrospiel mit terranischen Einheiten wie den Space-Marines, die Bühne. „Er war nicht unbedingt dafür bekannt, in jedem Spiel mit den innovativsten Strategien zu überzeugen“, so Kim. „Aber dank seines Mikros stach er hervor.“

Aufgrund seiner übermenschlichen Anti-Berstling-Taktiken machte sich MarineKing schnell einen Namen. Er teilte seine Truppen in eine scheinbar unmögliche Anzahl von Richtungen auf, was seine Gegner dazu veranlasste, ihre Berstlinge zu überfordern und so letztendlich viel von ihrem explosiven Potenzial zu verschwenden. Seine Technik wurde als die „Space-Marine-Teilung“ bekannt und wurde bei den Fans rasend schnell beliebt, die das in ihren eigenen Spielen ebenfalls versuchten. „Wir hatten so etwas nicht geplant“, sagt Kim über die Innovation von MarineKing. „Aber als es dann passierte, sagten wir: ‚Wie großartig ist das denn?‘“

Als die Space-Marine-Teilung sich immer größerer Beliebtheit erfreute und die Terraner-Spieler immer besser darin wurden, erwartete Kim, dass das Balanceteam die Berstlinge am Ende weiter verstärken müsste. Aber etwas anderes ist passiert: Die Zerg-Spieler wurden ebenfalls besser. Die Besten von ihnen fanden neue Wege, die Zergkriecher weiter und weiter draußen auf der Karte zu verbreiten. Damit konnten sie ihren Berstlingen einen zusätzlichen Tempoboost geben, selbst wenn sie die explosiven Larven für Offensivmanöver weit entfernt von ihrer zentralen Basis verwendeten.

„Plötzlich sahen wir, wie dieses komplett neue Element rund um die Startpositionen in den Spielen der Terraner gegen die Zerg wichtig wurde“, erinnert sich Kim. „Beide Seiten haben in ihrem Spiel letztendlich einen Gang hoch geschaltet, und das hat alles ungemein aufregend gemacht.“

Mit Blick auf das Spiel und was 13 Jahre nach Entwicklungsbeginn daraus geworden ist, überlegen Kim, Browder und Fitch, wie unterschiedlich alles hätte laufen können, wenn sie beschlossen hätten, eine völlig andere Richtung für das Spiel vorzugeben.

„Manche Leute wollten einfach Brood War II“, so Browder. Andere waren verärgert darüber, dass es ihre Lieblingseinheit nicht mehr gab. Einige Protoss-Spieler haben den Dragoner sehr vermisst. Aber Kim und Browder sahen keine Möglichkeit, sowohl den ursprünglichen Dragoner als auch den Hetzer im Spiel zu halten, ohne es für beide Einheiten zu verderben.

„Du willst in dieser Situation kein Space-Marine 1- und Space-Marine 2-Szenario“, erklärt Browder. „Das wäre reine Verschwendung, weil man am Ende eh nur den Besten wählen würde. Das ist zumindest unsere Meinung. Ich könnte mir vielleicht eine Welt vorstellen, in der StarCraft II 100 Einheiten pro Spezies besitzt. Allerdings passt das nicht zu unseren Idealen, mit denen wir im Jahr 2005 das Spiel gestartet haben.“

„Du könntest zurückgehen und sagen: Was wäre, wenn wir von vorne anfangen würden?“, folgert Browder. „Und, ja, was wäre wenn? Ich habe keine Ahnung. Das würde alles verändern, worauf die Entwicklung des Spiels basierte.“


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– Scarlett und NoRegreT stellen den Esports von StarCraft II auf den Kopf

– Mike Morhaime spricht über 20 Jahre StarCraft-Esports

– Gespräch mit dem DeepMind-StarCraft II-Team

– Co-op-Designer Kevin „monk“ Dong erzählt seine Geschichte